Aus dem Umstand, dass die Tatbestände des Art 6 EU-DSGVO keine bestimmte zeitliche Grenze für eine Datenverarbeitung vorsehen, kann nicht der Schluss gezogen werden, dass eine im Recht der Mitgliedstaaten vorgesehene zeitliche Beschränkung einer Datenverarbeitung schon dem Grunde nach nicht in Einklang mit der EU-DSGVO gebracht werden kann.
Austria. Verwaltungsgerichtshof. Gegenständlicher Diskussionspunkt war die Speicherung und Verarbeitung von Daten durch das österreichische Arbeitsmarktservice („AMS„). In der Beschwerde an die Aufsichtsbehörde behauptete die betroffene Person, dadurch im Grundrecht auf Geheimhaltung verletzt worden zu sein. Ferner liege eine Verletzung im Recht auf Löschung ihrer personenbezogenen Daten vor, weil die siebenjährige gesetzliche Aufbewahrungsfrist nach dem Arbeitsmarktservicegesetz (AMSG) bereits lange überschritten war.
Hintergrund des Ganzen war ein Arbeitslosengeld- und Notstandhilfebezug der betroffenen Person zwischen 1992 und 1994. Bei einem neuerlichen Antrag auf Gewährung im Jahr 2019 kam hervor, dass das AMS noch immer alte Daten, wie die Adresse und den Familienstand, aus dem Geschäftsfall von 1992 bis 1994 verarbeitete.
Das AMS sah sich zur Verarbeitung der Daten aus den 90ern gemäß Art 6 Abs 1 lit e EU-DSGVO und § 25 AT-AMSG berechtigt. Die Speicherung der Daten sei notwendig gewesen, um die gesetzlichen Aufgaben des AMS zu erfüllen, einschließlich der Durchführung der Arbeitsmarktpolitik und der Gewährleistung eines effizienten Systems zur Bearbeitung von Anträgen. Zudem argumentierte das AMS, dass die Daten zur Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung von Rechtsansprüchen weiterhin benötigt werden könnten, was eine Verlängerung der Aufbewahrungsfrist von sieben Jahren rechtfertige.
Die Aufsichtsbehörde entschied im Sinne des AMS. Das BVwG war hingegen der Ansicht der betroffenen Person. Das AMS habe die betroffene Person in ihrem Recht auf Geheimhaltung verletzt. Die Weiterverarbeitung der Daten aus dem Geschäftsfall von 1992 bis 1994 sei ohne Rechtsgrundlage erfolgt. Deshalb liege eine Verletzung im Grundrecht vor.
Gegen diese Entscheidung erhob das AMS Revision an den VwGH und argumentierte, dass die Löschung von Daten nach sieben Jahren nicht automatisch erfolgen müsse, wenn die personenbezogenen Daten weiterhin für die Geltendmachung von Rechtsansprüchen relevant sein könnten. Darüber hinaus führte das AMS aus, dass die gesetzlichen Aufbewahrungsfrist in § 25 Abs 9 AT-AMSG unionsrechtswidrig sei, weil die EU-DSGVO keine spezifischen Speicherfristen vorsehe. Das vermochte den VwGH nicht zu überzeugen.
Für die breitere betriebliche Praxis sind folgende Aussagen interessant:
- Das Normieren von Aufbewahrungsfristen durch das Recht der Mitgliedstaaten steht nicht in Widerspruch zu den Bestimmungen der EU-DSGVO.
- Unter den Begriff „Verteidigung von Rechtsansprüchen“ lassen sich (ua) Fallkonstellationen subsumieren, in denen der Verantwortliche Rechtsansprüche eines Dritten (etwa des Antragstellers in einem Verwaltungsverfahren) abwehrt oder bestreitet.
- Die fortgesetzte Speicherung durch den Verantwortlichen für die Geltendmachung oder Verteidigung von Rechtsansprüchen ist zu bejahen, wenn zum Zeitpunkt der Prüfung einer allenfalls gebotenen Beendigung der Aufbewahrung (somit einer Löschung) der personenbezogenen Daten ein derartiger Rechtsanspruch bereits geltend gemacht worden (oder dies absehbar) ist.
- Der bloße Umstand, dass ein Rückgriff im Einzelfall auf bei einem Dritten gespeicherte Daten allenfalls einen zusätzlichen Aufwand für den Verantwortlichen mit sich bringt, kann eine längere Aufbewahrung der Daten für sich genommen nicht rechtfertigen.
- Die Behauptung einer generellen Unzuverlässigkeit von personenbezogenen Daten, die bei einem Dritten im Einzelfall zum Abruf bereit stehen, vermag eine längere Speicherung nicht pauschal zu rechtfertigen.