Es liefe Art 9 Abs 2 lit e EU-DSGVO zuwider, wenn sämtliche Daten über die sexuelle Orientierung einer Person bereits deswegen dem Schutz des Art 9 Abs 1 EU-DSGVO entzogen wären, weil die betroffene Person personenbezogene Daten, die sich auf ihre sexuelle Orientierung beziehen, offensichtlich öffentlich gemacht hat.
EuGH. Urteil. Die betroffene Person sah sich durch Meta Platforms Ireland Ltd (vormals Facebook Ireland Ltd) in ihren Datenschutzrechten verletzt. Der aktuelle Vorwurf: Meta verwende personenbezogene Daten rechtswidrig für Zwecke der personalisierten Werbung. Konkret soll Meta Nutzerdaten sowohl innerhalb als auch außerhalb des sozialen Netzwerks Facebook sammeln und diese für das Ausspielen gezielter Werbung verwenden. Meta berief sich hierfür auf die Einwilligung der Nutzer und den zwischen ihnen bestehenden Nutzungsvertrag. Personalisierte Werbung sei ein integraler Bestandteil des Geschäftsmodells. Die betroffene Person hielt entgegen, dass keine wirksame Einwilligung vorliege. Weder sei die Einwilligung freiwillig erteilt noch sei hinreichend transparent gemacht worden, welche Daten zu welchem Zweck verarbeitet werden. Für die Anwendung von Social Plugins und Cookies auf Drittwebseiten, wodurch auch außerhalb von Facebook Informationen über Aktivitäten der betroffenen Personen gesammelt würden, bestünde überhaupt keine Einwilligung.
Darüber hinaus verarbeite Meta auch besondere Kategorien von personenbezogenen Daten, wie Informationen zur sexuellen Orientierung und politischen Überzeugung, ohne entsprechende Rechtsgrundlage. So sei der betroffenen Person von Meta regelmäßig Werbung angezeigt worden, die auf ein homosexuelles Publikum abziele. Diese Werbeanzeigen basierten offenbar auf Analysen des Online-Verhaltens, obwohl im Facebook-Profil keine Informationen zur sexuellen Orientierung gemacht wurden. Dem hielt Meta entgegen, dass die Verarbeitung der sexuellen Orientierung rechtmäßig sei, weil die betroffene Person diese Informationen im Rahmen einer öffentlichen Podiumsdiskussion selbst offengelegt hatte.
Wichtige Aussagen des EuGH in diesem Zusammenhang:
- Eine zeitlich unbegrenzte Speicherung personenbezogener Daten ist ein unverhältnismäßiger Eingriff in die Rechte der betroffenen Person anzusehen.
- Die unterschiedslose Verwendung sämtlicher personenbezogener Daten, die von einer Plattform für ein soziales Netzwerk zu Werbezwecken gespeichert werden, unabhängig vom Sensibilitätsgrad dieser Daten kann nicht als ein verhältnismäßiger Eingriff in die Rechte der betroffenen Person gesehen werden.
- Art 5 Abs 1 lit c EU-DSGVO ist deshalb dahin auszulegen, dass der darin festgelegte Grundsatz der „Datenminimierung“ dem entgegensteht, dass sämtliche personenbezogenen Daten, die ein Verantwortlicher wie der Betreiber einer Onlineplattform für ein soziales Netzwerk von der betroffenen Person oder von Dritten erhält und die sowohl auf als auch außerhalb dieser Plattform erhoben wurden, zeitlich unbegrenzt und ohne Unterscheidung nach ihrer Art für Zwecke der zielgerichteten Werbung aggregiert, analysiert und verarbeitet werden.
- Grundsätzlich ist es nicht auszuschließen, dass die öffentliche Äußerung einer betroffenen Person über die eigene sexuelle Orientierung, auch wenn sie Teil eines umfassenderen Redebeitrags war und nur zu dem Zweck erfolgte, die Verarbeitung personenbezogener Daten zu kritisieren, eine Handlung darstellt, mit der die betroffene Person in voller Kenntnis der Sachlage ihre sexuelle Orientierung iSv Art 9 Abs 2 lit e EU-DSGVO offensichtlich öffentlich gemacht hat.
- Jedoch kann aus dieser Tatsache nicht abgeleitet werden, dass dadurch eine eine Zustimmung iSv Art 9 Abs 2 lit a EU-DSGVO erteilt wurde.
- Dementsprechend ist Art 9 Abs 2 lit e EU-DSGVO dahin auszulegen, dass der Umstand, dass sich eine betroffene Person bei einer öffentlich zugänglichen Podiumsdiskussion zu ihrer sexuellen Orientierung geäußert hat, dem Betreiber einer Onlineplattform für ein soziales Netzwerk nicht gestattet, andere Daten über die sexuelle Orientierung dieser Person zu verarbeiten, die er gegebenenfalls außerhalb dieser Plattform von Anwendungen und Websites dritter Partner im Hinblick darauf erhalten hat, sie zu aggregieren und zu analysieren, um dieser Person personalisierte Werbung anzubieten.